Wir werden dazu erzogen, bei Beschwerden in fachärztlichen Kategorien zu denken und zu handeln. So suchen wir bei Wirbelsäulen- und Gelenkbeschwerden einen Orthopäden oder Rheumatologen, bei
Bauchschmerzen einen Internisten, bei Atmungsbeschwerden den Lungenfacharzt und bei Hauterkrankungen einen Dermatologen auf. Jeder dieser Spezialisten beschränkt sich verständlicherweise auf sein
Fachgebiet und sieht kaum jemals über den Gartenzaun auf das Grundstück seines kollegialen Nachbarn.
Orthopädische Krankheitsbilder sind derartig häufig, dass sie in Deutschland alljährlich Kosten in Höhe von etwa 40 Milliarden Euro verursachen. Tendenzen steigend. Behandlungsgegenstand ist
überwiegend Schmerzabschaltung und Verminderung entzündlicher Vorgänge. Da diese "Therapie" sich nicht an die Ursachen wendet, entwickeln sich solche Krankheitsbilder oft bis zur Operationsreife.
Selbst in dieser prekären Situation wird nicht nach den tatsächlichen Ursachen gefragt, sondern fadenscheinige Ausreden als relevant angesehen. Angenommen werden Fehlhaltungen, mangelnde Bewegung,
Übergewicht und "wenn alle Stricke reißen", genetische Fehlanlagen. In jedem Fall wird damit schon mal prophylaktisch dem Patienten die Schuld zugeschoben.
Die (alte) chinesische Sicht der Dinge
Die taoistische Philosophie sorgte hier für eine völlig andere Sicht der Dinge. Hier wird beispielsweise der Darm, die Lunge und die Haut als ein einziges Organ gesehen und dieser Systemverbund
behandelt. Niemand dachte daran dieses Gebilde in drei oder mehr Fachgebiete zu zergliedern, da sich Schädigungen auf jede der genannten Strukturen auswirken können. Für diesen ganzheitlichen
Zusammenhang gibt es auch in unserer Zeit deutliche Hinweise und zahlreiche Beispiele:
Bei der Ernährungsumstellung von der Muttermilch zur Kuhmilch haben Säuglinge gelegentlich Schwierigkeiten. Ihr Organismus verträgt dieses Eiweiß nicht und versucht es mit Durchfällen wieder
auszuscheiden. Gelingt ihm das nicht ausreichend, wird als zusätzliches Ausscheidungsorgan die Haut herangezogen und es kommt zu einem Hautausschlag, dem sog. Milchschorf. Weiter kann es geschehen,
dass die Atmungsorgane in diesen Ausscheidungsprozess mitbeteiligt werden, infolge dessen asthmatische Anfälle auftreten.
Dieses Beispiel trifft aber nicht unbedingt nur auf Säuglinge zu, sondern kann bei Erwachsenen, beispielsweise bei Bestehen einer Lebensmittelunverträglichkeit ebenso auftreten. Die spinalnervliche
Versorgung des Darms erfolgt über die unteren Teile der Wirbelsäule und da diese Nerven nicht nur den Darm, sondern auch die Rückenmuskulatur versorgen, kann es zu Rückenschmerzen, bis hin zu
Bandscheibenvorfällen kommen, die Konsultationen bei Orthopäden und Neurochirurgen notwendig machen. Die dabei möglicherweise auftretenden Hautveränderungen werden von Dermatologen und denkbare
Atembeschwerden von Lungenfachärzten behandelt.
Orthopädie: Einfach nur Schmerztherapie?
Wie bereits erwähnt, können die in der Orthopädie genannten Ursachen für skeletto-muskuläre Beschwerden nicht wirklich ernst genommen werden. Die tatsächlichen Begründungen bleiben hinter wirklich
ausgezeichneten und äusserst präzisen, bildgebenden, eindrücklichen diagnostischen Verfahren im mystischen Dunkel. Die möglicherweise große Masse vorgefallenden Bandscheibengewebes wird bestaunt und
danach operiert, aber es wird nicht gefragt, weshalb es dazu kommen konnte.